Die Verleihung des Nobelpreises ist der Höhepunkt in dem Krimi von Andreas Eschbach. Es geht um Erpressung, Entführung und Industriespionage. Wir erleben hautnah den grössten Skandal in der Geschichte des Nobelpreises. Eschbach würzt die Handlung mit einer Brise Fatalismus, schmeckt sie mit Verschwörungstheorien ab und serviert ein überraschendes Ende.


Vor sieben Jahren verschlang ich das Buch Eine Billion Dollar1 von Andreas Eschbach. Es hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir. Noch nie hatte ich ein Buch von knapp 1000 Seiten so schnell fertig gelesen. Andreas Eschbach schreibt eine klare, einfache Sprache, die Themen seiner Bücher sind exzellent recherchiert und er weiß, wie er mit Spannung und Witz seine Leser bei Laune hält.

Professor Anderson und sein Schwager Gunnar Forsberg

Die Handlung des Kriminalromans Der Nobelpreis spielt in Stockholm im Zeitraum zwischen der Nominierungsphase bis zur Preisverleihung des Nobelpreises.

Hans-Olof Anderson ist Professor und gehört dem Nobelpreiskomitee für Medizin an. Es wird versucht ihn zu bestechen. Als er das gebotene Geld ablehnt, wird seine Tochter Kristina entführt. Hans-Olof Anderson ist ein zerstreuter, introvertierter Professor, der mit dieser Situation überfordert ist. Er weiß nicht mehr weiter und  kontaktiert seinen Schwager Gunnar Forsberg, einen Industriespion, der eine Haftstrafe von 8 Jahren im Gefängnis absitzt. Mit Hilfe von Beziehungen erreicht er kurzfristig eine vorzeitige Entlassung seines Schwagers. Gemeinsam versuchen sie auf eigene Faust die Entführer ausfindig zu machen und Kristina zu befreien. Am Ende kommt es zu einer überraschenden Wendung.

Ein listiges Spiel mit dem Leser

Erzähltechnisch bemüht sich Eschbach um Abwechslung. Er verführt den Leser behutsam mittels unterschiedlicher Erzählerperspektiven zu einem immer rascheres Erzähltempo. Wird in den ersten Kapiteln der Nobelpreis, seine Entstehung und sein Umfeld in neutraler Erzählweise beschrieben, lernen wir im dritten Kapitel Hans-Olof Andersson kennen. Wir beobachten, wie er auf den Erpressungsversuch reagiert. Er versteht die Welt nicht mehr, als seine Professoren-Kollegen gelassen, sogar fast gleichgültig auf seinen Bericht reagieren. In völlige Panik verfällt Andersson, als seine Tochter entführt wird. Er reagiert hilflos, einfältig und verzweifelt. Er beugt sich dem Druck und stimmt für die Kandidatin, die ihm seine Erpresser vorgegeben haben. Danach erfährt er von den Entführern, dass er seine Tochter erst in drei Monaten zur Nobelpreisverleihung sehen wird. Seine Lösung für die Probleme ist Lethargie und der Weg zurück zur Routine. Im Kapitel 16 lernen wir überraschend den eigentlichen Ich-Erzähler kennen, seinen Schwager Gunnar Forsberg. Ab diesem Moment beschleunigt der Roman sein Erzähltempo. Gleichzeitig erleben wir Gunnars Verwandlung. Selbstsicher geht er anfangs an die Sache heran. Je weiter er in Sache verwickelt wird, desto unsicherer, fatalistischer und verzweifelter wird er. Ein Crescendo der Gefühle, die in einem unerwarteten Finale enden.

In diesem Moment schaltet sich der Autor direkt ein. Er fürchtet, der Leser könnte abspringen und das Buch weglegen:

„Sind sie jetzt verärgert? Aufgebracht? Fühlen Sie sich auf unverzeihliche Weise betrogen? Dann wissen Sie, wie mir in dem Moment zumute war. Nur, dass ich eine Waffe in der Hand halte. In meinem Kopf drehte sich alles. Belogen! Manipuliert! Eine Marionette war ich gewesen,…“2

Zugegeben, ich war auch enttäuscht, kurzfristig. Andreas Eschbach hatte mich hinters Licht geführt. Ich hatte mich von dem Fatalismus Gunnars mitreissen lassen und alle Verschwörungstheorien kritiklos angenommen. Aber ich wurde versöhnt mit einem annehmbaren Ende der Geschichte.

Ein Handbuch für Laieneinbrecher

Ein Tip für angehende Einbrecher: Mit dem Erscheinen der Hauptfigur Gunnar mutiert der Roman zu einem Lehrbuch für Einbrecher. Wir lernen verschiedene Arten von Schlössern und Safes kennen, wie Gunnar sie öffnet und welche Tricks er im Laufe seiner Verbrecherlaufbahn gelernt hat. Teilweise regte sich in mir das Verlangen mir selbst ein Set Picks zuzulegen und zu lernen wie man Schlösser knackt. Andreas Eschbach versteht es, ein Thema zu recherchieren und selbst kleinste Details in seine Romane einzubauen. In seinen Romanen Eine Billion Dollar und Das Jesus Video3 führt er seine Leser genauso bravourös in interessante Themen ein. Das schätze ich an den Büchern von Andreas Eschbach besonders.

  1. Andreas Eschbach: Eine Billion Dollar, Köln: Bastei Lübbe Taschenbuch, 8. Aufl. 2003
  2. Andreas Eschbach: Der Nobelpreis, Köln: Bastei Lübbe AG 2005, S. 365)
  3. Andreas Eschbach: Das Jesus Video, Köln: Bastei Lübbe AG 2000
Der Nobelpreis Book Cover Der Nobelpreis
Andreas Eschbach
Science Fiction
Bastei Lübbe Verlag
2006
Taschenbuch
555
978-3404157631